20 Jahre Ladakh-Hilfe = 2003 - 2023
Seit 20 Jahren trägt der Günzburger Verein Ladakh-Hilfe e.V. im hoch gelegenen Ladakh im Westhimalaya, Nordindien, dazu bei, dass die Therapien und Lebensbedingungen für Kinder mit Behinderungen verbessert werden.
Die ganze Geschichte wurde von der jungen Medizinstudentin Johanna initiiert, die 2001 in einem entlegenen Bergdorf als Freiwillige buddhistischen Nonnen Englischunterricht gab. Dort lernte sie eine junge Mutter kennen, deren zweite Tochter Rigzin seit Geburt schwer behindert war. Johanna nahm sich der Familie an und versprach, Hilfe zu senden. Zurück in Deutschland stellte sie einen Artikel in eine renommierte Physiotherapiezeitschrift mit Bitte um Hilfe für das Kind in einem entlegenen Bergdorf. Dieser Artikel erschien im Juli 2002 und die Physiotherapeutin Karola Wood las den Artikel und wußte sofort, dass das ihr Auftrag war, denn sie interessierte sich seit sieben Jahren für das Land Ladakh und seine Leute. Johanna und Karola stellten im Kontakt fest, dass die Motivationen und Qualifikationen passten. Jetzt begann eine lange Phase der Vorbereitung, zu der im Juni 2003 die Gründung des Vereins Ladakh-Hilfe e.V. gehörte, bei dem Johanna Gründungsmitglied war. Karola Wood und ihr Mann bereiteten sich gründlich auf den Einsatz in Ladakh vor. Dazu wurde der Jahresurlaub hergenommen.
Im August/September 2003 folgte die fünfwöchige Reise nach Ladakh in Nordindien, ein Land im Westhimalaya. Sie führten viele Hilfsmittel für die arme Bergbevölkerung mit sich: Kinderschuhe, Kleidung, Medikamente, Verbandsmaterial, nützliche Geschenke, Nahrung, Spielsachen und therapeutisches Werkzeug zur Behandlung von Rigzin. Für das Ehepaar wurde es eine Reise ins Mittelalter. Sie trafen die freundlichsten Menschen der Erde, begegneten dem Buddhismus hautnah und verliebten sich in das Land der hohen Pässe, seine Kultur und die Einwohner. Der Abschied fiel schwer, vor allen Dingen von Rigzin, die ihnen inzwischen sehr ans Herz gewachsen war. Sie lebt allein mit ihrer Mutter, Schwester und Großmutter in sehr armseligen Verhältnissen in einem Bergdorf, das nur über einen 4 Tage langen Treck zu erreichen ist. Durch den bisherigen Behandlungserfolg bei Rigzin wurden ihnen weitere behinderte Kinder vorgestellt mit der Bitte, Hilfe für diese zu organisieren. Wieder zu Hause kam die Aufarbeitung des Erlebten und das Einlösen des Versprechens: Karola schrieb Zeitungsartikel, hielt Dia-Vorträge und Rundfunkinterviews, um ihr Anliegen zu verbreiten und den Freundeskreis zu erweitern. Sie organisierte Physiotherapeutinnen, die ihre Arbeit in Ladakh als Freiwillige weiterführen würden.
Im Februar 2004 kam per E-Mail eine weitere für sie überraschende Anfrage: In einem anderen entlegenen Bergdorf wurde ein schwer behindertes Mädchen gefunden, das 17 Jahre aus Scham von ihren Eltern versteckt worden war.
Ob sie wohl kommen und das Kind behandeln würden? Sie mussten nicht lange überlegen und die Vereinsmitglieder unterstützen sie dabei auch tatkräftig.
So kam es, dass bei diesem zweiten Einsatz die Eltern ihre Kinder mit Bitte um Hilfe von überall her zu Karola Wood brachten. Es wurden wichtige lokale Kontakte geknüpft und Pläne für die Zukunft geschmiedet. Viele Einheimische begannen freiwillig mitzuhelfen.
Unser Anliegen: Hilfe zur Selbsthilfe
„Gib dem Hungernden einen Fisch, und du rettest ihn heute vor dem Tod. Lehre ihn Fische zu fangen! Er und seine Familie werden für das ganze Leben versorgt sein“
Die Arbeit mit den Menschen in den einsamen Berggegenden erforderte viel Geduld und Einfühlsamkeit. Der Versuch, unseren Standard diesen Menschen über zu stülpen, führte zu Frustrationen und unverständlichen Reaktionen. Sie waren durch die Konfrontation mit dem „Westen“ sehr verunsichert und ihr wunderbares ökologisches Gefüge war durch den wachsenden Tourismus in Gefahr geraten. Diese sehr praktisch veranlagten Menschen können mit wenig Hilfestellung und Richtungsweisung durch uns sehr viel selbst bewegen. Die völlig andere Lebenssituation der Bergbevölkerung lässt sich mit einem einfachen Beispiel beschreiben: Rigzin aus Lingshed (drei Jahre alt) war 2004 noch so klein, dass sie von ihrer Mutter auf dem Rücken in einem Tragetuch getragen werden konnte. Damit kam sie mit Hilfe ihrer Mutter im bergigen Dorf herum, traf dadurch Leute, wurde stimuliert und integriert. Aber sie wird größer und schwerer. In Deutschland würde man sofort an eine Rollstuhlversorgung denken, für das Kind sicherlich sinnvoll. Aber auf den steilen, steinigen Wegen in Lingshed war es völlig unmöglich, mit einem Rollstuhl zu fahren. Was sprach jedoch gegen einen kleinen Esel mit einem speziell angefertigten Sattel, in dem Rigzin aufrecht und geschützt sitzen kann? Der Tischler vor Ort fertigte einen solchen Sattel ohne große Probleme und kostengünstig an und so ein Esel kostet 60 Euro, viel weniger als ein Rollstuhl bei uns. Außerdem kann das Tier von der Familie zusätzlich zur Feldarbeit eingesetzt werden und amortisierte hierdurch sein Futter.
2009 veröffentlichte Frau Wood ein Buch über ihre Erlebnisse im Himalaya: "Das andere Ladakh - Abenteuer im indischen Himalaya"
Die Jahre vergingen, es ging im Krebsgang vorwärts, drei Schritte vor, zwei zurück. Naturkatastrophen und politische Umwälzungen bremsten schnelle Entwicklungen aus. Aber die Menschen vor Ort hatten erkannt, dass sie den vielen Kindern mit schweren Behinderungen Beachtung und Hilfe schuldig sind und packten zielstrebig mit an. Vorurteile wurden durch intensive Aufklärung ausgeräumt, jetzt versteckten die Eltern ihre Kinder nicht mehr, sondern brachten sie zur Therapie. Gleichzeitig entwickelte sich bei der lokalen Regierung und bei anderen Hilfsorganisationen ein starkes Bewusstsein für die Not der Kinder und immer mehr Hilfsangebote tauchten auf. Fahrzeuge zum Transport der Kinder und Therapeuten wurden im Laufe der Jahre angeschafft. Das deutsche Entwicklungsministerium förderte 2013 über BENGO die Anschaffung von zwei Transportbussen für die beiden Therapiezentren.
Zwei große Hilfsgüterlieferungen mit gebrauchten, aber ausgezeichneten Therapiematerialien aus verschiedenen Quellen in Deutschland wurden 2016 und 2019 nach Leh transportiert.
Über 300 freiwillige deutschsprachige professionelle Therapeut:innen arbeiteten von 2005 bis 2018 in Ladakh und trugen zum Gelingen der Ziele des Kinderhilfswerks bei. Ab 2006 wurden Einheimische eingestellt und ausgebildet, 2009 wurde der einheimische Tochterverein REWA Society gegründet und ein großes Therapiezentrum in Leh eröffnet. 2011 wurde in Kargil, im 250 km entfernten muslimischen Distrikt ein zweites Therapiezentrum eröffnet mit einer angeschlossenen Sonderschule. Karola Wood kehrte jedes Jahr nach Ladakh zurück, um vor Ort die Arbeit zu unterstützen. In Deutschland kümmerte sie sich um eine tagesaktuelle Homepage und mit Hilfe der Freunde und Mitglieder wurden Spenden zur Unterstützung der Arbeit gesammelt. Vermehrt unterstützten indische Volontäre:innen das Kinderhilfswerk.
Wir sehen hier einen berechtigten Grund für unsere Arbeit in Ladakh
Rigzin-Stanzin (sie erhielt vom Dalai-Lama den neuen Namen Stanzin) ist mittlerweile ein großes, körperlich schwer eingeschränktes, aber glückliches Mädchen geworden. Die Familie siedelte nach Leh um, weil die Großmutter alt und gebrechlich geworden war und Rigzin in Leh die Therapie und Hilfsmittel bekommen würde, die sie brauchte. Um die Familie zu unterhalten, arbeitet Rigzins Mutter für den Verein gegen Entgelt. Mit Hilfe von Sponsoren unterstützten der Verein die ältere Tochter der Familie, Lobzang, mit einer ausgezeichneten Schulbildung. Sie wird dieses Jahr mit Master in Rehabilitation Science nach Leh zurückkehren und für REWA Society arbeiten. Ein weiteres Mädchen aus einer bedürftigen Familie. Dechen, wurde bis zum Bachelor Hörakkustikerin/Sprachtherapeutin unterstützt und arbeitet seit 2022 für REWA Society.
Seit 2016 wird in Leh auch die Möglichkeit des Besuchs der Sonderschule angeboten. In dieser Zeit entstand der Wunsch nach einem eigenen Therapiezentrum. Nach langem Ringen stellte die Regierung dem Tochterverein REWA ein schönes Stück Land zur Verfügung, die Grundsteinlegung für das neue Gebäude fand 2019 statt. Leider ging es in den Coronajahren nicht vorwärts, aber 2022 legte der Bauherr los und im Juni konnte das REWA-Team in die ersten Räume einziehen. Das Gebäude soll 2023 fertig gestellt werden. Der Neubau wird fast ausschließlich vom Verein Ladakh-Hilfe e.V. finanziert. Mittlerweile beschäftigt REWA Society über 20 Angestellte. In jedem Therapiezentrum vier Physiotherapeut: innen, Hilfskräfte, Fahrer, Manager, Buchhalter.
Der Verein fördert weiterhin die Hilfe zur Selbsthilfe und unterstützt die Selbstständigkeit. Mehr und mehr sollen die Gehälter durch Unterstützung der indischen Regierung finanziert werden. Einheimische finanzielle Unterstützung wird beständig gefördert. Der Verein möchte sich in der Zukunft spezifisch für ausgezeichnete therapeutische Qualität einsetzen. 2023 reist ein Team aus Deutschland, bestehend aus drei hoch qualifizierten Kindertherapeutinnen, nach Ladakh, um den Therapeuten vor Ort eine international anerkannte und exzellente Weiterbildung zu vermitteln. Johanna ist mittlerweile Ärztin geworden und unterstützt den Verein als zweite Vorsitzende.
Im März 2023 stand die junge Frau Rinchen vor der Tür des Managers im Leh Therapiezentrum. Sie wollte als freiwillige Helferin in der Sonderschule mitarbeiten. Rinchen ist halbseitengelähmt und läuft mit Gehhilfe. Sie hatte als Kind viele Jahre Therapie bei REWA erhalten, war zwischenzeitlich im College und hat Abschlüsse gemacht. Jetzt kommt sie zurück und hilft ihren Landsleuten, den Kindern Ladakhs. Das ist die Erfolgsgeschichte, die sich unendlich fortsetzt.
Diese ganze Geschichte ist eine Geschichte voller Wunder und menschlicher Hingabe. Karola Wood wurde mit einem Virus infiziert, der viele weitere Ladakh-Reisende gepackt hatte: Eine Begeisterung und Zuneigung für dieses Land und seine Menschen, welches die Motivation, diese Menschen zu unterstützen, ungebrochen anfacht. In 20 Jahren hat sich vieles verändert und verbessert in Ladakh. Auch für die Kinder mit Beeinträchtigungen. Der Verein konnte einen großen Teil zur Veränderung beitragen und der Tochterverein REWA Society ist im ganzen Land geachtet und angesehen.
Wir möchten Sie dazu ermutigen, durch die Seiten dieser Homepage zu streifen um sich in eine Welt entführen zu lassen, die der unseren so fremd ist. Wenn Sie in der Schatztruhe von Informationen wühlen, werden ihnen noch viele Hintergründe aufgedeckt, die sie überraschen, ja, die sogar unglaublich erscheinen!
Karola Wood, April 2023
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Ladakh-Hilfe e.V.
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